• 28.04.2010, 19:31:40
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Griechenland und die Taliban im Nadelstreif" (von Rainer Strunz)

Ausgabe vom 29.04.2010

Graz (OTS) - Die Eckdaten sind deprimierend: Griechenland ist
hoffnungslos überschuldet, Pessimisten reden vom Staatsbankrott, und
die restlichen Euro-Länder sind schlichtweg ratlos, was zu tun ist.
Denn Griechenland ist kein Einzelfall. Portugal ist nicht viel besser
dran, Irland und Spanien ähnliche Sorgenkinder, und sollte Italien
den Bach hinuntergehen ist Europa wohl geliefert.

Bei all den aberwitzigen Zahlen, bei all dem Mist, der Brüssel
offenbar seit Jahren von Athen aufgetischt worden ist, ist man leicht
geneigt, ein wesentliches Faktum zu übersehen: Griechenland ist nicht
nur wegen seiner miserablen Wirtschaft und seines völlig aus dem
Ruder gelaufenen Staatsapparates am Rande des Ruins, die Lage der
Hellenen wird auch durch eine konzertierte Aktion weltweit agierender
Spekulanten immens verschlechtert. Kapitalstarke Fonds und mächtige
Investmentbanken greifen mittlerweile nicht nur Konzerne, sondern
ganze Länder an. Was George Soros vor Jahren bei seiner
Milliardenspekulation gegen das Pfund gelungen ist wird seit Wochen
gegen Griechenland zelebriert. Ein Wirtschaftskrieg, bei dem kein
Blut fließt, bei dem keine Toten zu beklagen sind, bei dem es "nur"
darum geht, zusammen mit Griechenland den Euro in die Knie zu
zwingen.

Die Terroristen hinter den Kulissen tragen - anders als die Taliban
-natürlich keine Lumpen, wenn sie ihre Strategie besprechen. Sie
treffen sich auch nicht in kargen Bergregionen, sondern in noblen
Apartments in Manhattan, wie zuletzt Anfang Feber, wo vier große
Hedgefonds ihre Euro-Strategie besprochen haben. Von einer
Untersuchung des konspirativen Treffens durch die Staatsanwaltschaft
wurde nichts bekannt, verhaftet wurde niemand, das Justizministerium
in Washington nahm von dem Treffen nur am Rand Notiz.

Das Kesseltreiben gegen Griechenland und den Euro geht seitdem mit
voller Härte weiter - und die Politik schaut weiter zu. Diesseits und
jenseits des großen Teichs. Die Megabanken und Fonds, die uns das
größte Wirtschaftsdesaster seit den 30er-Jahren eingebrockt haben,
wurden noch immer nicht an die Kandare gelegt, die Spekulanten setzen
alles daran, von dem Desaster, das sie verursacht haben, auch noch
maximal zu profitieren.

Griechenland oder andere Pleitekandidaten sollen damit nicht in
Schutz genommen werden. Aber solange die mächtigen Nationen dem
Treiben dieser Taliban im Nadelstreif tatenlos zusehen, wird die Welt
nicht zur Ruhe kommen.****

Rückfragehinweis:
Kleine Zeitung, Redaktionssekretariat, Tel.: 0316/875-4032, 4033, 4035, 4047, mailto:redaktion@kleinezeitung.at, http://www.kleinezeitung.at

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